Visiting Nagra in Lausanne
2021 war der 70ste Geburtstag von Nagra Audio Technology Switzerland. Und es steht 2026 der 75ste an! Eine unvergleichliche Geschichte.
2026 – 75 Jahre Nagra
Schon 1951 entwickelte Stefan Kudelski einen äußerst hochwertigen, kleinen, in sich geschlossenen Audiorecorder, den er schlicht „Nagra I“ nannte. „Nagra“ ist ein polnisches Wort und bedeutet „wird aufzeichnen.“ Das Interesse an seiner Erfindung war sofort da. Mitte bis Ende der 50er Jahre folgten Nagra II und III, die die Welt des Rundfunks, des Kinos und der Musik revolutionierten.
In Anerkennung seines Beitrags zu Kultur und Wissenschaft erhielt die Nagra Company zahlreiche Auszeichnungen, darunter Oscars® in den Jahren 1978 und 1991. Heute genießt Nagra weltweites Ansehen und das Wort „Nagra“ wird mit der besten Schweizer Technologie in Verbindung gebracht.
Nagra High End Geräte für die Musikwiedergabe haben ein unverkennbares Design und gehören zum Olymp der Besten in der Musikwiedergabe. Dazu haben die kompakten Geräte eine Verarbeitung, eine Präzision und eine Liebe zum Detail, wie die auch von Schweizer Uhren.
Nun hat Nagra seine HD Line in 6 Jahren Entwicklung stark überarbeitet und mich und meinen Kollegen Oliver Wittmann nach Lausanne eingeladen. Mit dabei natürlich auch Sina Kovacevic, der Vertrieb von Nagra in Deutschland. Über 500km sind es von Starnberg nach Lausanne und auf dem Weg habe ich Oliver in seinem Studio im Allgäu besucht, um uns dann als Fahrgemeinschaft weiter Richtung Lausanne auf den Weg zu machen. Sein Studio ist beeindruckend und so viele Hornlautsprecher auf einem Fleck habe ich noch nicht annähernd gesehen. Wahrscheinlich sind wir die beiden letzten wirklichen „Dinosaurier-Highender“, die aus Überzeugung nicht nur Geräte, sondern maximalen „Klang“ verkaufen wollen?
Eine einzigartige HiFi-Geschichte
Am nächsten Morgen ging es dann direkt in die Ch. de l`Orio 30A in Romanel, etwas außerhalb von Lausanne gelegen. Hier entwickelt und baut Nagra seine gesamten Audio Geräte. Bevor wir zur Firmentour starten, gibt es einen Café im Besprechungsraum, der auch als Nagra Museum dient. Und die Vitrinen sind mit lauter Legenden gefüllt: Nagra I / II / III, Nagra IV, Nagra IV-S, Nagra IS, Nagra TI, Nagra SNST u.s.w. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, denn selbst in der heutigen Zeit, wo alles kompakter wird erscheint es unglaublich, eigentlich unmöglich so viel Technik und Mechanik in so kompakte Formen zu bringen. Manche Geräte sind aus den 70er Jahren und wirken, als wären Sie in der Neuzeit entwickelt worden. Man steht vor Nagra Geräten und es kommt einfach nur Freude beim Betrachten auf, die Geräte müssen gar nicht angeschlossen sein. Auch beim Anschauen geht einem das Herz auf und das Kind im Manne ist hellwach. Das hat sich bis heute NICHT geändert. Nagra ist und bleibt Nagra!
Ich träume noch von analogen Bandmaschinen und Masterbändern für unser Studio, da geht es dann auch schon in die heiligen Hallen und begleitet werden wir von Matthieu Latour, dem Nagra Audio Division Director und sogar CEO Pascal Mauroux himself.
Nagra Einblicke
Erste Station ist die Fertigung und schon nach wenigen Minuten bin ich mehr als froh, den Weg nach Lausanne gemacht zu haben. Matthieu gibt uns einen Einblick in die Fertigung und Technik des Lautstärke Potentiometers einer Reference Vorstufe. Man weiß aus vielen Jahren Hifi Erfahrung, dass in jeder Vorstufe die Lautstärkeregelung das Herz und auch die Schwachstelle der Vorstufe ist. Es gibt viele Ansätze, vom aufwendigen Potentiometer, über Relaisteuerung von Widerständen und ähnlichem. Aber es wird natürlich für jede Lautstärkestellung der Gain(!) des Verstärkers verstellt. Das ist ein und bleibt ein Problem.
Nagra löst das auf eine völlig andere Art in seiner Reference Vorstufe. Hier bleibt der Gain immer konstant(!) und die Lautstärke wird über verschiedene Wicklungen eines Transformators geregelt. Auf einer Platine sitzt der aufwendige Transformator mit 8 unterschiedlichen Wicklungen, dazu ein Prozessor und die Relais. In beeindruckender Geschwindigkeit berechnet der Prozessor je nach Lautstärkeanforderung die passende Kombination an Wicklungen für die richtige Lautstärke. Eine technische Meisterleistung, quasi der Tourbillon der Potentiometer, die dazu auch noch eine völlig feine und unglaublich lineare Lautstärkeregelung ermöglicht. Die Schweizer haben es erfunden!
Nicht minder beeindruckend ist die Metallverarbeitung. Bis auf wenige Teile wird fast das ganze Gehäuse der einzelnen Komponenten im Hause gefertigt. Nur hochwertiges Aluminium kommt zum Einsatz und dann eben die sprichwörtliche Schweizer Präzision. Nagra legt äußersten Wert auf eine konstante und gleichmäßige Verarbeitung, so dass jedes Gerät die gleiche Farbe und Oberfläche hat, zu 100%. Ein Kunde kann zu seiner Classic Vorstufe Jahre später eine Classic Phono kaufen und beieinander stellen. Beide sind identisch. Selbst die urtypischen Nagra Potentiometer leuchten eines wie das andere: Gleich!
Ein weiteres Highlight ist das Nagra Bauteile-Lager. Wenn man über 70 Jahre Geräte gebaut hat und diese auch noch reparieren will, kann man sich vorstellen was da an Bauteilen notwendig ist. Nicht nur diese zu lagern, sondern auch zu kategorisieren ist eine Herausforderung. Riesige, verschiebbare modulare Wände beherbergen unzählige Bauteile. Imposant und auch sehr beruhigend für jeden Nagra Besitzer, auch wenn sein Gerät noch so alt ist. Denn wenn etwas Unsinn ist, dann Recyclinggebühren für Nagra Geräte. Die leben ewig!
Natürlich sind Oliver und ich sehr gespannt, als es in die Entwicklungsabteilung geht. Und da bekommen wir schon erste Eindrücke von der bald erscheinenden kleinen Nagra Phonovorstufe auf Basis der früheren BPS. Mit neuen Bauteilen und der noch perfekteren Schaltung, entwickelt aus der langjährigen Erfahrung mit Phonoverstärkern, soll diese neue BPS ein weiterer Meilenstein für kompakte Phonoeinheiten sein.
Das für das Jubiläumsjahr 2026 natürlich eine gewaltige Produktoffensive kommen dürfte ist sicher, aber soweit lässt uns dann Nagra nicht in die Karten schauen. Aber ich bin mir sicher, es wird große Überraschungen geben und viele Hifi-Herzen werden höher schlagen.
HD wird zu Reference
Nun kommt es zum Eigentlichen. Was macht die neue Reference aus und wie klingt die Reference Line im Vergleich zur HD Line. 6 Jahre hat Nagra an seiner TOP Line gearbeitet und gefeilt, diese NOCH langlebiger und natürlich auch klanglich besser zu machen.
Was erstaunlich ist: Nagra wechselt nicht die Platinen einfach so aus (- das machen fast alle Hersteller), so als wäre diese nicht viel wert. Nagra tauscht aufwendig viele Bauteile aus und ersetzt nur die Platinen für die Ansteuerung und Regelung der Röhren. Auch das Gehäuse (und das hat schon zu den Besten überhaupt gehört) bekommt ein Uprade, um lästige Gehäuseresonanzen noch weiter zu eliminieren. Das berücksichtigen die meisten Hersteller noch gar nicht wichtig genug und Nagra geht noch weitere Schritte, die wirklich aufwendig sind und sich deutlich klanglich bemerkbar machen. Die Nagra HD Endstufen bekommen auch neue WBT-Lautsprecherklemmen und man hat sich von den Cardas verabschiedet. Weil einfach klanglich besser.
Die ganze Wahrheit kommt dann beim Hören und so ist das Highlight am Nachmittag die Hörsession im Nagra Raum mit der kompletten Reference Line, einem Nagra Plattenspieler und einer Wilson Audio Alexx V. Und alle Geräte stehen auf einem HRS Rack.
Natürlich kenne ich die Nagra HD Geräte, den Nagra Plattenspieler sehr gut und auch eine Wilson Audio Alexx V, so dass ich auch ohne A/B Vergleich (gar nicht einfach möglich) die neuen Eigenschaften der Reference Geräte gut beurteilen kann. Und Nagra hat nicht einfach was verändert, sondern konsequent an den Schwächen (wenn man das überhaupt so nennen kann) gearbeitet.
Der Tiefton ist schneller und präziser völlig ohne Verfärbung
Die gesamte Performance ist noch ruhiger und entspannter (sicher auch ein Ergebnis der geringeren Resonanz der Gehäuse.
Die einzigartige Klangfarbe, Spielfreude und Musikalität wurden um noch ein paar Prozent nach oben geschoben (und das ist ja die besondere Stärke der HD Line). Und dann haben die Reference Geräte eine tolle Micro Dynamik (das war vielleicht die wirkliche Schwäche der HD Line).
Der Preis für das Upgrade ist vollends gerechtfertigt und bringt den Nagra Besitzer noch weiter ins Nirvana der Musikwiedergabe. Wenn man auch den Neupreis der
Geräte vergleicht mit der Nagra HD Line, darf man nicht vergessen, dass diese Preise der HD Line sich in 10 Jahren kaum verändert haben und nun der Schweizer Franken zum Euro von damals zu heute um fast 20% gestiegen ist.
Alles in Allem ein Besuch, der sich wirklich gelohnt hat und wir uns schon gedanklich mit unserer Planung für 2025/2026 auf ein großes Nagra Jubiläumsfest freuen – in Starnberg!
Versprochen und Bravo Nagra!
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