Hasselblad X2D 100C in Genf
Kurz vor Weihnachten haben wir ein Projekt in Genf abgeschlossen. (Mehr dazu bald). Mit dabei war die neue Hasselblad X2D 100C, die ich am Abend bei einem Spaziergang durch Genf zum ersten Mal richtig benutzen konnte. Diese Kamera ist unglaublich!
Die Kamera – Ein „Habenwill“ Gerät
Optisch hat sich bei der X2D nicht viel geändert. Das Offensichtlichste ist aber die Farbe: Nun ist Hasselblad’s Mittelformat Body, – Schwarz. Die Metamorphose ging also von Silber über Dark Grey bis hin zu nun Schwarz, mal sehen was dann eine X3D(?) in Zukunft zu bieten hat. Mir gefällt dieses Schwarz bisher am Besten. Der bisher schon sehr große Bildschirm ist noch größer geworden und kann nun auch horizontal geschwenkt werden. Die bisher schon vorbildliche Bedienung mit Touch auf dem Monitor ist noch übersichtlicher, einfacher und intuitiver geworden. Das krasse Gegenteil zum Menü/Bedienen einer Sony Kamera, und da reden wir von dem Bruchteil einer Sekunde zu Minuten langem Durchforsten der Sony Menüsteuerung.
Über die Verarbeitung und das Design der X2D kann man nur schwärmen. Ich habe viele Leica Kameras besessen, aber der „Habenwill“ Faktor der X2D ist NOCH größer. Ein Griff zu dieser Kamera, die sich wie eine Katze in die Hand schmiegt und unweigerlich den Willen entfacht: „Ich will raus und fotografieren!“
Dieses einmalige Design und dazu die Leichtigkeit einer Mittelformatkamera werden noch durch die neuen Objektive verstärkt. Deren Optik ist das perfekte Match und dazu sind die 3 neuen Linsen extrem leicht. Mehr dazu in einem extra BLOG Beitrag später.
Auch neu ist das kleine Display auf der Oberseite der Kamera. Das ist nicht nur ein Gag, sondern auch nützlich um mit einen kurzen Blick die Übersicht der Einstellungen zu bekommen.
Sucher – Alles im Blick
Den elektronischen Sucher haben die Schweden gegenüber dem alten Modell deutlich verbessert. Die Framerate von 60 Bildern pro Sekunde ist gut, die Auflösung von 5,76 Megapixeln sehr gut, die Vergrösserung von 1,0 herausragend. Der einzige Wermutstropfen ist der manchmal unzuverlässige Näherungssensor, mit dem die X2D zwischen Rück-Display und Sucher umschaltet.
IBIS – Bravo
Endlich hat Hasselblad ein IBIS-System. Ein 100-Megapixel-Mittelformatsensor bringt nicht nur satte Details, sondern auch strenge Anforderungen an die Stabilisierung des Kameragehäuses. In Genf habe ich besonders am Abend mit relativ langen Belichtungszeiten fotografiert, um nicht allzu extrem ISO Zahlen zu erzwingen. Die Stabilisierungsfähigkeit der X2D ist extrem hoch und auf dem Niveau von Canon oder anderen IBIS-Spezialisten. Und diese Errungenschaft wird nicht getrübt durch wachsende Größe oder mehr Gewicht. Man sieht diese Stabilisierungslösung der X2D nicht im Geringsten an.
Es war für Hasselblad eine herausfordernde Aufgabe, eine Stabilisierungsstruktur hinzuzufügen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Kamera leicht und tragbar bleibt. Die Hasselblad Ingenieure haben dafür einen ultrakleinen Schwingspulenmotor entwickelt. Im Inneren des Motors wurden Hallsensoren platziert, wodurch die Größe des Systems weiter reduziert wurde. Durch diese Entwicklung wurde die Vorderseite des IBIS-Systems etwa 30% kleiner als bei ähnlichen Produkten und ermöglichte es dieses IBIS-System, in das kompakte X2D 100C-Kameragehäuse zu verbauen.
Das X2D IBIS-System hat eine Kalibrierung auf Pixelebene bis zum höchsten Hasselblad-Standard. Kamerabewegungen um nur 0,1 Pixel können erkannt und kompensiert werden. Bravo!
Hasselblad X2D 100C mit XCD 55V – 1/90 bei f4 – ISO1600 – Foto: Wolfgang Linhard
Fokussierung – Soll erfüllt!
Die Hasselblad X2D ist keine Sport- und Actionkamera. Dafür sind andere Hersteller zuständig. Aber trotzdem hat man sich zumindest einen schnelleren Autofocus für das neue Model gewünscht.
Die X2D 100C verwendet Phase Detection Autofocus (PDAF) mit 294 PDAF-Zonen, verteilt über die 100-Megapixel-Sensorfläche. Der Fokuspunkt läßt sich damit wirklich genauer mit der X2D einstellen. Die 3-mal so hohe Geschwindigkeit, die Hasselblad in seiner Werbung ankündigt kann ich aber nicht ganz feststellen. Natürlich ist der Autofocus ein Fortschritt, vorallem bei wenig Licht, denn da hat man mit der X1D oder X1DII oft viele Sekunden vergebens auf einen Treffer gewartet. Hier ist die X2D nun zu einem deutlich besseren Arbeitsgerät geworden, auch wenn hier sicherlich für die Zukunft noch „Luft“ nach oben ist.
Unendlicher Speicher – So und nicht anders.
Eines der für mich erfreulichsten Features ist der interne 1TB Speicher. Wie oft bin ich unterwegs gewesen und stelle beim ersten Abdrücken fest: Die Speicherkarte sitzt noch im Computer Lesegerät. Und wer sucht nicht oft die kleinen Speicherkarten in irgendwelchen Hosentaschen oder Foto Rucksäcken. Das ist Vergangenheit! Die X2D hat einen internen Speicher für viele Tage, wenn nicht sogar Monate und das bei den 100 Megapixeln. Erstaunlich, das hier die Schweden Vorreiter sind und nicht die Großmacht der japanischen Kamerabauer.
100MP – Bis ins kleinste Detail
Der Unterschied von 50MP zu 100MP ist einfach zu rechnen. Doppelte Auflösung! Dass die X2D noch mehr Details aufzeichnet war zu erwarten und ist im aktuellen Pixelwahn keine wirkliche Besonderheit. Fuji und andere Hersteller hatten längst die 100MP geknackt. Die Besonderheit liegt mehr darin, dass man mit diesen Megapixeln längere Belichtungszeiten hinbekommt als mit den 50MB des Vorgängers. Das macht die Kamera letztendlich zu einem Werkzeug für „Streetfotografie“ um aus der Hand zu fotografieren und nicht nur eine hochauflösende Kamera, die ihr Dasein in den Straßen auf einem Stativ verbringen muss.
Es ist schon faszinierend, wie stark man in das Bild hineinzoomen kann. In der 100-Prozent-Ansicht sehe ich noch die kleinsten Details. Doch das ist „Pixel Peeping“ in Reinstform. Um in der Praxis etwas davon zu merken, müsste das Bild in wandfüllender Größe sein. Das kommt bei unseren riesigen Bildern mit den akustischen Wänden vor und ist dann natürlich auch von Vorteil.
Hasselblad X2D 100C mit XCD 55V – 1/900 bei f4 – ISO1600 – Foto: Wolfgang Linhard
Farbe – Die Referenz
Für mich sind Farben fast noch wichtiger als Auflösung. Alle Kamerahersteller haben ihre spezifischen Farben und nach meiner Erfahrung lässt sich da auch nicht großartig etwas in Lightroom ändern. Ich habe so ziemlich alles an Kameras probiert! Und nicht nur ein Model von einem Hersteller.
Mit Fuji habe ich immer wieder einen Anlauf wegen der kompakten Kameras genommen. Das ist gar nicht mein Fall! Die Farben sind m.M. so künstlich und haben immer einen „pink“ Charakter. Für Landschaft daher völlig ungeeignet. Sony Farben sind vom Weißabgleich zu 99% auf den Punkt, haben aber immer eine gewisse „Kühle“. Die bekommt man auch NIE weg.
Canon und Nikon sind sich sehr ähnlich und haben die größte Erfahrung mit ihren Algorithmen. Canon hat ein wenig die Nase vorne. Weißabgleich ist Top und Bilder haben eine angenehme Wärme und Strahlkraft.
Leica hat sich von Modell zu Modell verbessert. Die Trefferquote beim Weißabgleich war früher eine Katastrophe und ist heute gut, aber nicht Top. Die Farben der Leica sind extrem „knackig“ und haben den besten Kontrast aller Hersteller (das liegt aber wahrscheinlich eher an den Leica Objektiven).
Und was ist mit Hasselblad? Die Neutralität der Farben ist die Referenz aller Kameras, die ich bisher hatte. Jedes Bild ist vom Weißabgleich und den Farben auf den Punkt. Canon wirkt „lieblicher“ und Hasselblad „ehrlicher“. Während ich bei Fotos aus anderen Kameras lange in Lightroom an Reglern schraube, passen mir die Bilder aus der X2D sofort. Der Unterschied geht weit über einfache Faktoren, wie Weissabgleich oder Sättigung hinaus. Es sind Dinge, wie natürliche Hauttöne bei gleichzeitig akkurater Wiedergabe anderer Farben. Oder die butterweichen Übergänge von dunklen zu hellen Bereichen.
Hasselblad X2D 100C mit XCD 55V – 1/60 bei f2.8 – ISO400 – Foto: Wolfgang Linhard
Dynamik – Bilder zum Verlieben
Der Dynamikumfang der Sensoren ist wenig beachtet, aber eigentlich genau so wichtig wie Farbe oder Auflösung. Und wenn schlechte Lichtbedingungen herrschen ist dieser eigentlich essentiell. Warum?
Wenn hartes Licht herrscht, sind die Sensoren überfordert. Der Unterschied vom hellsten zum dunkelsten Punkt ist für den Sensor nicht mehr darstellbar (unser Auge ist da besser als jeder Sensor). Dann hat man zwei Möglichkeiten: Man entscheidet sich für Struktur in den dunklen Stellen (überbelichten) und hat dann in den Lichtern nur noch Weiß ohne jegliche Zeichnung. Oder man belichtet weniger, hat Zeichnung in den Lichtern, aber dunkle Stellen sind nur noch Schwarz. Ersteres lässt sich nicht in Lightroom (oder anderen Programmen) korrigieren, wenn im Licht keine Zeichnung ist, kann auch keine hervorgeholt werden. Für Zweites kann man die Tiefen in der Belichtung hervorheben. Hat der Sensor aber kaum Dynamik, dann entsteht in den dunklen Stellen dadurch ein hässliches Bildrauschen.
Schon die früheren Modelle von Hasselblad waren in Punkt Dynamik das Maß der Dinge und die X2D setzt hier noch eins on TOP. Das ist auch der Grund warum ich die X2D für die beste Kamera derzeit – mit Abstand – halte.
„Out of the Camera“, ohne jede Bildbearbeitung haben die Bilder (im RAW Format) der X2D eine Dynamik und „Power“ die ihresgleichen suchen.
Hasselblad spricht von 15 Blendenstufen Dynamikumfang. Dafür habe ich keine Testmethode. Aber man sieht es sofort und will es auch in keinem Bild mehr missen. Man kann selbst scheinbar ausgebrannte Bildbereiche noch retten und selbst in tiefen Schatten noch Details finden. Der Spielraum ist größer als bei allen anderen Sensoren und auch dem Hasselblad Mittelformat Vorgänger.
Hasselblad X2D 100C mit XCD 55V – 1/80 bei f2.8 – ISO1600 – Foto: Wolfgang Linhard
Fazit – Vorsicht, Suchtgefahr!
Die Hasselblad X2D ist eine Kamera für Künstler und Alle, die es gerne wären. Viele Makel des Vorgängermodells haben die Hasselblad Ingenieure eliminiert. Allen voran, der Bildstabilisator ermöglicht es nun, auch bei wenig Licht, gut ohne Stativ zu fotografieren. Der elektronische Sucher ist fantastisch und hochaufgelöst, der interne Speicher ein absolutes MUSS. Einzig der Fokus und seine Bedienung bleiben noch zu verbessern. Er stellt mit den neuen V-Objektiven zwar schneller scharf und erhält hoffentlich bald eine Gesichtserkennung. Doch für alles, was sich schnell bewegt, ist die X2D schlichtweg die falsche Kamera.
Über jeden Zweifel erhaben ist die Bildqualität. Die Fotos aus dem Mittelformat-Sensor strotzen vor Details, haben tonnenweise Dynamik-Reserven und rauschen selbst bei hohen ISO-Werten wenig. Dazu kommen die fantastischen, natürlich wirkenden Farben. Letzteres ist – wie ich finde – nicht einmal eine Geschmacksfrage. Selbst meine Kinder, die zur großen Gruppe der „Selfie Fraktion“ gehören und mehr auf Gesichtszüge achten als auf irgendwelche Qualität, erblicken ein X2D Bild und sagen mit einem Lächeln sofort: „Ah, Hasselblad!“.
Hasselblad X2D 100C mit XCD 55V – 1/80 bei f2.8 – ISO1600 – Foto: Wolfgang Linhard
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